Skaftáfeuer

Rezension von Gert Kreutzer

Der Autodidakt Jón Trausti, eigentlich Guarnundur Magnússon, lebte von 1873 bis 1918 und war (neben Einar Kvaran) der beliebteste isländische Autor des beginnenden 20. Jahrhunderts. Auch Halldór Laxness schätzte ihn: "Jón Trausti ... steht mir als der größte Wundermann vor Augen, den es in der Erzählkunst Islands je gegeben hat." Er lobt seine naturverbundene, lyrische Erzählart, seine Sorgfalt in der Schilderung von Kleinigkeiten und seine unermüdliche Neugier an menschlichen Verhältnissen. Allerdings macht er auch einige halbironische Bemerkungen über seine Produktivität (20 meist dicke Bände in 10 Jahren) und seinen zähflüssigen, einschläfernden Stil. Anders als etwas später Gunnar Gunnarsson, Kristmann Guðmundsson und Halldór Laxness gelang es Jón Trausti nicht, ein größeres Publikum außerhalb Islands zu gewinnen. So ist von seinen vielen Werken außer einigen Gedichten und kurzen Prosaauszügen nur ein umfangreicheres Werk in deutscher Übersetzung erschienen, der erste von den zwei Bänden der Sögur frá Skaftáreldi ("Geschichten vom Skaftáfeuer"), der den Titel Holt og Skál (Holt und Skál sind zwei Hofnamen) trägt. (Der zweite Teil heißt Sigur Iffsins "Sieg des Lebens"). Die hier vorgelegte Übersetzung von Susanne Beug erschien zuerst 1992 im Eigenverlag in Hella und hat nun endlich einen deutschen Verlag gefunden. Dieser historische Roman, der nach Matthías Johannessen zu den bedeutendsten Werken in isländischer Sprache gehört, hat den katastrophalen Ausbruch der Laki-Vulkane (Juni 1783 bis Februar 1784) zum Hintergrund der dramatischen Ereignisse um menschliche Schicksale (im Mittelpunkt steht eine tragische Liebesgeschichte) im abgelegenen Südosten Islands. Als Quelle für die Naturereignisse benutzt Jón Trausti das Eldrit ("Feuerschrift") des Pfarrers Jón Steingrimsson (1728-1791) von Kirkjubæjarklaustur, eines Zeitzeugen und Betroffenen, der seine Beobachtungen 1788 auf den 36 Blättern der Handschrift Lbs. 1552 4to zu Papier brachte (eine englische Übersetzung von Keneva Kunz erschien 1998 unter dem Titel. "Fires of the Earth"), In Folge des Ausbruchs starben ca. 10.000 Isländer (20% der Bevölkerung), der größte Teil des Viehs und fast ganz Europa erlebte eine Kälteperiode und Missernten. Der Roman von Jón Trausti, in dem natürlich auch die berühmte "Feuermesse" Jón Steingrimssons (20. Juli 1783) nicht fehlt (der Pfarrer war überzeugt, durch seine Gebete den Lavastrom angehalten zu haben), kann jedem Freund Islands und historischer Romane nur empfohlen werden, zumal die Übersetzung sehr ansprechend und gut lesbar ist. So hat man auch Gelegenheit, einen in Deutschland bisher vernachlässigten Autor kennen zu lernen. Die Übersetzerin, geboren 1959 in Göttingen, lebt seit 1979 in Island und ist Lehrerin an der Grundschule von Hella.

Quelle: ISLAND. Zeitschrift der Deutsch-Isländischen Gesellschaft e.V. Köln und der Gesellschaft der Freunde Islands e.V. Hamburg, 02/2012, S. 54-55.
 
Jón Trausti (2012)

Skaftáfeuer

Reihe: erlebte orte

Seiten: 260
Format: 13,5 x 21,5 cm
Preis: 17,00 Euro
ISBN: 978-3-939564-36-2

Kann in jeder guten Buchhandlung bestellt werden